Spielberichte,  Spieleabend

Karvi

AutorTorgeir Tjong
GrafikIngram Schell, Franz Stämmele
Alterab 12 Jahren
Dauerca. 2 bis 3 Stunden

Der Hans-im-Glück-Verlag hat erneut zugeschlagen und mit Karvi wieder mal einen echten Strategie-Hammer für Spieleexperten abgeliefert.

Auf der Spielwiese 2023 hatten wir am letzten Tag die Möglichkeit, eine Partie Karvi am Stand von Hans-im-Glück zu spielen. Wir wussten, dass eine Partie mit Sicherheit etwas Zeit in Anspruch nehmen würde. Aus diesem Grund sind wir gleich vormittags an den Stand und haben uns Plätze an einem der zahlreichen Spieltische reserviert. 

Bei Karvi handelt es sich um ein strategisches Kennerspiel, dass durchaus auch Ambitionen in Richtung Expertenspiel entwickelt und sich auf jeden Fall an erfahrene Spieler richtet, die auch mal mehrere Stunden mit einem Spiel am Tisch sitzen können.

Worum geht es überhaupt bei dem Spiel:

Thematisch ist das Euro-Game im Reich der Wikinger angesiedelt, auch wenn der Verlag von vornherein darauf hinweist, dass es sich nicht um eine historisch akkurate Wiedergabe der Wikingerzeit handelt. Aus spieltechnischen Gründen mussten manche Aspekte entsprechend angepasst werden. Aus unserer Sicht überhaupt kein Problem.

Wir wollen also unseren Wikingerstamm in der Rolle eines Jarls zu Ruhm und Ehre führen. Hierzu können wir das titelgebende Schiff, eine Karve (Karvi), mit einer schlagkräftigen Besatzung ausrüsten, mit fremden Völkern Handel treiben oder deren Reichtümer plündern. Die Besatzung möchte natürlich mit Bier und Brot versorgt sein.

Anleitung

Die Anleitung hat einen ordentlichen Umfang, lässt aber keine Fragen offen und führt neue Spieler Schritt für Schritt durch die erste Partie. Wir hatten dank Messe ja das Glück, unsere erste Partie von einem kompetenten Spieleerklärer angeleitet zu bekommen. Bei einer zweiten, privaten Runde mussten wir dennoch ein paar mal in den Regeln nachschlagen, es blieb aber keine Frage offen.

Spielablauf

Wir starten jede Partie gemeinsam im Ausgangshafen Kaupanger. Von hier aus bewegen wir unsere Schiffe entlang der vorgegebenen Seewege über die schön illustrierte Karte zu den zahlreichen unterschiedlichen Stationen (Handel oder Kampf). Die Zugreihenfolge wird hierbei dynamisch durch auf einem separaten Tableau positionierten Würfeln bestimmt. Jedes Feld stellt ein bestimmte Aktion dar. Der Spieler, dessen Würfel am weitesten hinten liegt, ist der aktive Spieler.
Wer also eine bestimmte Aktion, die weiter vorne auf dem Tablet liegt, unbedingt durchführen möchte, muss unter Umständen länger warten, bis er wieder an der Reihe ist. Hier heißt es nachdenken und taktieren. Ziel ist, mit allen Würfeln wieder die Startzone zu erreichen, wo in jeder Runde gewartet wird, bis alle Spieler ihre Würfel dort hingezogen haben, dann startet eine neue Runde.

Die einzelnen Aktionen müssen zudem teilweise mit Ressourcen in Form von Bier bezahlt werden. Der eigene Ressourcenstand wird durch die Zahl der Augen auf den Würfeln im Blick gehalten. So kann es manchmal vorkommen, dass man bestimmte Aktionen gar nicht durchführen kann, da einem die notwendigen Biervorräte fehlen. Glückerweise kann man diese nach ungefähr einer halben Runde wieder auffüllen. Aber auch hier heißt es: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Die Position der eigenen Würfel auf diesem Tableau ist somit letztendlich der Schlüssel zum Sieg. 

Schiffe können nur bewegt werden, wenn die Wikinger über entsprechende Nahrungsvorräte in Form von Brot verfügen. Diese werden durch Brot-Token, welche man direkte auf dem Schiff lagert, dargestellt. 

Das eigene Schiff hat zudem ein separates Schiff-Tableau, auf dem die Krieger und verschiedene Erweiterungen untergebracht werden. Krieger erhöhen die Kampfstärke, können aber auch verletzt werden und sogar sterben. Erweiterungen geben begünstigende Modifikatoren für unterschiedliche Spielaktionen, zudem kann man zusätzliche Siegpunkte für die Endwertung erwerben. 

Der eine Teil der besuchsbaren Ortschaften bietet lukrative Handelsmöglichkeiten, die ebenfalls auf dem Schiffstableau abgelegt werden. Andere Ortschaften hingegen können geplündert werden.

Beide Fortschrittsanzeiger gewähren Bonuspunkte und Aufwertungen, je mehr Plättchen dort abgelegt werden. Auch hier gilt es, eine ausgewogene Mischung zwischen Handel und Kampf zu finden, ansonsten fehlen am Spielende wichtige Siegpunkte. 

Zudem gibt es noch weitere Orte, an denen man Türme oder Handelsposten errichten kann. Kurzfristig erhält man hiermit Siegpunkte, mittel- bis langfristig wird die Besorgung von Ressourcen hierdurch verbessert oder die eigene Streitmacht verstärkt. 

Im Laufe des Spiel eröffnen sich dem Spieler somit immer mehr Möglichkeiten, man sollte die eigenen Strategie immer im Hinterkopf behalten und sich nicht zu sehr in neuen Möglichkeiten verlieren.

Material

Wirklich schön ist es, dass es Asmodee geschafft hat, das komplette Spiel plastikfrei zu halten. Das wirklich umfangreiche Spielmaterial bietet für jede Partie eine hohe Varianz und wird statt in Tütchen in Pappschachteln verpackt. Sehr schön! Wir hoffen, dieser Trend setzt sich langfristig durch und mehr Verlage statten ihrer Spiele entsprechend aus.

Fazit

„Karvi“ ist ein gelungenes Euro-Game, dass sich eindeutig an Kenner- und Expertenspieler richtet. Dies spiegelt sich schon in der durchschnittlichen Spielzeit von drei Stunden wieder. Durch die hohe Varianz der einzelnen Partien und die große Anzahl an Zugmöglichkeiten gibt es keinen „Masterplan“, so dass sich jede Partie immer ein wenig anders spielen wird. Es macht Spaß, den eigenen Fortschritt zu beobachten und den eigene Stamm zu stärken. Im Laufe des Spiel wird man immer versuchen, bestimmte Aktionsketten umzusetzen, um seinen eigenen Zug so effektiv wie möglich zu gestalten (bspw. erst Ressourcen gewinnen, dann Schiff bewegen, dann Plättchen erhalten etc.). Dieser Plan kann natürlich dadurch erschwert werden, das wichtige Felder von Mitspielern besetzt sind. Aber auch dafür bietet das Spiel eine Möglichkeit. 

Als größten Kritikpunkt kann man wahrscheinlich den relativ hohen Preis anführen, man bekommt jedoch auch eine große Menge an hochwertigen Spielmaterialien. Zudem ist die Wartezeit zwischen den eigenen Zügen relativ hoch, da man durch die dynamische Zugreihenfolge durchaus mal mehrere Züge auf die Aktionen der Mitspieler warten muss. 

Wir können Karvi auf jeden Fall empfehlen, das Strategiespiel bietet große Potential für viele schöne (lange) und spannende Spieleabende. 

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